Demonstration in Belarus mit vielen Menschen

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21. August 2020
Solidarität mit den Menschen in Belarus

Die djo – Deutsche Jugend in Europa verfolgt mit Anteilnahme und großer Sorge die Geschehnisse in Belarus seit der Präsidentschaftswahl am 09.08.2020. Trotz der Hinweise auf Manipulationen und Fälschungen von Wahlergebnissen wurde Lukaschenka vom Wahlausschuss zum Wahlsieger erklärt. Hunderttausende Bürger_innen gingen – und gehen weiterhin – auf die Straßen, um friedlich für eine neue Wahl und einen politischen Wandel im Land zu demonstrieren. Die Sicherheitskräfte gehen mitunter sehr brutal gegen die friedlichen Demonstrierenden vor. Unzählige Demonstrant_innen, darunter viele junge Menschen, wurden dabei verletzt und festgenommen. Zahlreiche Personen berichten über Bedrohungen und Folter, denen sie während der Haft ausgesetzt waren.

Wir lehnen diese Gewalt ab und sind solidarisch mit den Menschen in Belarus. Es ist wichtig, dass Europa jetzt Solidarität und Entschlossenheit zeigt.

Unsere Partnerorganisation RADA – Nationaler Rat der zivilgesellschaftlichen Kinder- und Jugendorganisationen hat zu der aktuellen Situation einen Apell mit konkreten Forderungen veröffentlicht. Diesen haben wir ins Deutsche übersetzt und teilen ihn untenstehend. Das originale Dokument in englischer Sprache ist hier auf der Website von RADA zu finden.

Appell von „RADA“ im Zusammenhang mit der Situation nach den Präsidentschaftswahlen in Belarus

Wir, der Zusammenschluss von siebenundzwanzig demokratischen Jugendorganisationen von Belarus, der mit dem Ziel gegründet wurde, die Jugendorganisationen und Initiativen von Belarus zur Vertretung, Förderung und Verteidigung gemeinsamer Interessen, zur Ausübung des Rechts auf Vereinigungsfreiheit und anderer verfassungsmäßiger Rechte zu vereinen, vertreten durch den Verwaltungsrat – den Vorstand von „RADA“, geben folgende Erklärung ab:

Wir sind das Volk der Republik Belarus. Wir sind der Lügen und Fälschungen müde, die ständig von der Regierung kommen. Wir wissen, dass unsere Wahl gestohlen wurde. Deshalb handeln wir, das Volk der Republik Belarus, zur Wiederherstellung von Recht und Gesetz im Land auf jede uns zur Verfügung stehende friedliche Weise.

Wir sind sicher, dass die wahren Manipulator_innen und Lügner_innen in Belarus sind und nicht im Ausland, wie Lukaschenka uns zu überzeugen versucht. Er täuscht uns alle – die Bevölkerung, die Beamt_innen, die Polizei. Nicht immer tut er es selbst: Wir sehen die Beteiligung von staatlichen Sendern und Zeitungen, denen andere Akteure aus Verwaltungen und Ausschüssen Skripte von Berichten und Videoaufzeichnungen übermitteln, um den Ruf von Menschen zu beschädigen, die ihnen nicht genehm sind. Und wenn es nicht möglich ist, einen Fall zu konstruieren, dann werden Erpressung und Entführung eingesetzt. Wir, das Volk der Republik Belarus, werden solche Gesetzlosigkeit nicht länger tolerieren.

Lange Zeit wurde uns – dem belarussischen Volk – das Recht und die Möglichkeit vorenthalten, friedlich und öffentlich unsere Meinung ZU JEDER ZEIT UND AUS JEDWEDEM GRUND zu äußern, ohne Furcht, festgenommen zu werden, Geldstrafen zu erhalten oder verletzt zu werden. Jetzt sind wir auf die Straße gegangen, weil unsere Stimmen bei den Präsidentschaftswahlen gestohlen wurden und die Wahlergebnisse von einer Gruppe von Personen in einer vorausgehenden Absprache manipuliert wurden. Deshalb erkennen wir die Ergebnisse dieser Wahlen nicht an und äußern unser Misstrauen gegenüber dem Zentralen Wahlausschuss.

Wir gingen auch auf die Straße, um gegen die kriminellen und respektlosen Worte und Taten des Präsidenten gegenüber dem Volk zu protestieren, insbesondere während der andauernden Coronavirus-Pandemie. Wir sind auf der Straße wegen seiner persönlichen Ignoranz und all denen, die sich durch Provokationen, Erpressung, erfundene Anklagen und Strafsachen sowie vorformulierte Protokolle der Wahlkommissionen für den Erhalt seiner Macht einsetzen.

Angesichts der Empörung des Volkes beschlossen Lukaschenkas Manipulator_innen jedoch, einen Bürgerkrieg zu entfesseln, indem sie Mitarbeitende der Behörden für innere Angelegenheiten und anderer Machtstrukturen gegen ihr eigenes Volk aufbrachten, in der Hoffnung, den öffentlichen Unmut zu zerschlagen. Einige Tage später begreift die Polizei jedoch, dass sie getäuscht wurde – auf den Straßen sind nicht „Drogenabhängige, die aus dem Ausland bezahlt werden“, sondern Menschen, die Gerechtigkeit, die Achtung der Rechte und die Gleichheit aller vor dem Gesetz, und die persönliche Verantwortung der Ordnungskräfte fordern und ihrer Strafprozesse sind bereits nah.

Bezugnehmend auf all dies:

Wir, das Volk der Republik Belarus, bringen unser Misstrauen gegenüber den Führungskräften der Zentralen Wahlkommission (CEC), des Komitees für Staatskontrolle (CSC) und des Komitees für Staatssicherheit (KGB) zum Ausdruck und fordern ihren Rücktritt.
Wir fordern ein Ende der Anwendung von Gewalt und Folter durch Ordnungskräfte gegen Teilnehmende an friedlichen Versammlungen in der Republik Belarus.
Wir fordern ein Ende der Folter und die sofortige Freilassung aller Personen, die bei friedlichen Versammlungen inhaftiert worden sind, sowie die Aufhebung aller sie betreffenden Entscheidungen der Verwaltungsgerichte.
Wir fordern eine aufrichtige Anerkennung der Fehler und Fälschungen von CEC, CSC und KGB und die sofortige Freilassung aller politischen Gefangenen und die Einstellung von Strafverfahren gegen sie.
Wir fordern die Schaffung einer ressortübergreifenden öffentlichen Kommission, bestehend aus Vertreter_innen des Innenministeriums, des Untersuchungsausschusses, der Menschenrechtskampagne „Human Rights Defenders for Fair Elections“ sowie der Initiative „Honest People“, um eine Untersuchung aller Tatbestände von Verstößen zu organisieren, die während des Wahlprozesses festgestellt wurden.
Wir fordern die Schaffung einer ressortübergreifenden öffentlichen Kommission, bestehend aus Vertreter_innen des Innenministeriums, des Untersuchungsausschusses, des Gesundheitsministeriums und Menschenrechtsorganisationen von Belarus, um eine Untersuchung aller Tatbestände von Folter und unmenschlicher Behandlung von Gefangenen zu organisieren.

Wir fordern, dass spätestens am 15. November 2020 neue Präsidentschaftswahlen abgehalten werden. Alle Personen, die die Bedingungen des Wahlgesetzes erfüllt haben, müssen als Kandidat_innen zugelassen werden, mit Ausnahme derjenigen, deren Schuld durch das Gericht und nicht durch irgendwelche Papiere und Denunziationen bewiesen wurde. Die Abstimmung darf nur für einen Tag und ohne vorgezogene Stimmabgabe durchgeführt werden. Es sollten auch neue Wahlkommissionen gebildet werden, alle registrierten Beobachter_innen in beliebiger Zahl zugelassen werden, und internationale Beobachtungsmissionen sollten in Übereinstimmung mit internationalen Verträgen eingeladen werden.
Für die Zeit vor dem Amtsantritt des neuen Präsidenten geht die politische Macht im Land auf die Übergangsregierung über, die aus Vertreter_innen aller politischen Parteien und zivilgesellschaftlichen Organisationen von Belarus gebildet werden sollte, die ihr Interesse bekunden werden, nach dem Prinzip: 1 Organisation/Partei – 1 Vertreter_in. Staatliche Medienkanäle sollten live über die Arbeit der Übergangsregierung berichten und allen politischen Kräften des Landes Zeit einräumen, ihre Ansichten zu äußern.

Wir fordern den Innenminister Yuri Karaev auf, die persönliche Sicherheit der Teilnehmenden der Übergangsregierung zu gewährleisten und ihnen die Möglichkeit zu geben, ungehindert an der Abhaltung neuer Präsidentschaftswahlen zu arbeiten.
Wir appellieren an den Verteidigungsminister Viktor Khrenin, während der Übergangszeit die Sicherheit des Landes vor äußeren Bedrohungen, vor allem von der Ostgrenze her, zu gewährleisten.

Wir sind das Volk der Republik Belarus und das Volk kann bei den Wahlen nicht verlieren!

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