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28. August 2023
Abschiedsinterview der ehemaligen Vorstandvorsitzenden Hetav Tek

Für die Ausgabe unserer Verbandszeitschrift der PFEIL von Juni 2023 mit dem Thema „Engagement und Ehrenamt“ haben wir ein Gespräch mit unserer ehemaligen Vorstandsvorsitzenden Hetav Tek geführt. Darin spricht sie über Erinnerungen und Zukunftswünsche für die djo – Deutsche Jugend in Europa. 

Was waren die größten Herausforderungen während deiner Amtszeit?

Ich war 16 Jahre im Bundesvorsitz und 2 Jahre davor Stellvertreterin. In diesen 18 Jahren gab es natürlich viele Herausforderungen, Höhen, Tiefen, Nervenzusammenbrüche und Hyperventilationen. Aber wenn ich das das so auf den Punkt bringen müsste, dann gab es zwei große Herausforderungen. Die eine Herausforderung war die Frage, wie wir die djo – Deutsche Jugend in Europa vor der drohenden Bedeutungslosigkeit bewahren und den Verband zu einem Fachverband bzw. zu einem jugendpolitischen Akteur, an dem man nicht mehr vorbekommt, weiterentwickeln können.

Eine weitere Herausforderung war, ist und wird immer wieder die Frage der Finanzen sein. Wir hatten in diesem Themenfeld innerverbandlich schon schwierige Zeiten hinter uns, wenn es um die Mitgliedsbeiträge und die Verteilung von Fördermitteln ging. Ich bin froh, dass wir die schwierigsten Diskussionen hinter uns haben und es trotzdem geschafft haben, zusammen zu kommen und eine Lösung zu finden, die die verschiedenen Bedarfe abdeckt. Danach haben wir auch nicht mehr zurückgeschaut und uns Vorwürfe gemacht. Es war immer klar, wir brauchen einen starken Bundesverband und starke Mitgliedsorganisationen. Es wird sich zeigen, wie lange das Modell, welches wir erarbeitet haben, so bestehen bleiben kann. Das Thema wird also immer eine Herausforderung bleiben.

Welche Veränderungen, die du mit angestoßen hast, liegen dir besonders am Herzen?

Mir liegt ganz besonders am Herzen, dass wir es als djo – Deutsche Jugend in Europa geschafft haben, dass Migrant_innenjugendselbstorganisationen strukturell gefördert werden und zwar nicht über einen Sondertopf sondern aus dem Fördertopf der Jugendverbandsarbeit — gleichgestellt mit anderen Jugendverbänden. Mir liegt ganz besonders am Herzen, dass wir es als djo – Deutsche Jugend in Europa geschafft haben, dass Migrant_innenjugendselbstorganisationen strukturell gefördert werden und zwar nicht über einen Sondertopf sondern aus dem Fördertopf der Jugendverbandsarbeit — gleichgestellt mit anderen Jugendverbänden.

Wir sind am Ball geblieben und haben Mitstreiter_innen mit ins Boot geholt, wie beispielsweise den Deutschen Bundesjugendring (DBJR). Durch Integrationsprojekte vom BAMF haben wir Anstoßfinanzierungen bekommen, durch das Projekt Jugend 2014 haben wir quasi die Blaupause dafür erstellt, wie eine solche Finanzierung aussehen könnte. Durch viele Gespräche und Verhandlungen haben wir es dann geschafft. Vor 2006 hätte niemand auch nur ansatzweise darüber nachgedacht, dass das überhaupt möglich wäre. Das ist ein riesen Erfolg — vor allem wenn man bedenkt, dass die djo von der drohenden Bedeutungslosigkeit durch das Engagement in diesem Themenfeld heute als Fachverband für Migrant_innenjugendselbstorganisation, Integration, Migration und junge Geflüchtete gilt. Ich möchte nicht unerwähnt lassen, dass Thomas Hoffmann, Grigo Simsek, Mascha Klimovskikh und Johanna Bontzol einen so wichtigen Beitrag geleitstet haben, dass wir so weit gekommen sind.

Mittlerweile wird nicht mehr darüber gesprochen, ob Migrant_innenjugendselbstorganisationen gefördert werden sollen. Mittlerweile fragen wir uns, wie es funktionieren kann. Das ist wirklich ein großer Erfolg, wenn man auch bedenkt, dass Erwachsenenverbände, die schon seit Jahrzehnten in Deutschland verwurzelt und gute Arbeit leisten, noch lange nicht so weit sind. Wir haben es geschafft, die Perspektive dieser jungen Migrant_innen noch stärker in die Strukturen einzubringen — ob über die Landesjugendringe, die Stadtjugendringe, über den djo-Bundesverband hinein in den DBJR. Da bin ich sehr stolz drauf. Das zeigt auch nochmal, wie wichtig es ist, eine Vision zu haben und sich durchzukämpfen.

Was wünscht du der djo – Deutsche Jugend in Europa für die nächsten 70 Jahre?

Dass sie immer ein Ort sein wird, in der junge Menschen einen Platz haben, sich verwirklichen und engagieren können. Dass ihnen immer die Möglichkeit gegeben wird, diese Gesellschaft mitzugestalten. Solange es Kriege, Auseinandersetzungen, Menschenrechtsverletzungen in anderen Ländern geben wird, werden junge Menschen in dieses Land flüchten. Ich bin überzeugt, dass die djo sowie unsere Mitgliedsorganisationen und zukünftige Mitgliedsorganisationen ein Ort sein werden, wo sie sich aufgefangen fühlen. Sie kommen mit einem Rucksack voller Erinnerungen und Hoffnungen und wir können sie dabei unterstützen, hier anzukommen, ihre Bedarfe, Sichtweisen und Perspektiven in die Gesellschaft zu transportieren.

Ich wünsche mir für die djo – Deutsche Jugend in Europa mutig zu sein, neue Wege zu gehen, auch mal zu stolpern und jungen Menschen die Verantwortung zu übertragen, diesen Verband gestalten zu können. Jetzt haben wir in der Doppelspitze Menschen, die unter 30 sind und in so eine wichtige Position gewählt wurden. Wir schaffen es als Jugendverband jungen Menschen Verantwortung zu übertragen, die noch nicht einmal 18 Jahre sind, die gesetzlich noch keine Verträge unterschreiben können oder wählen gehen dürfen. Doch wir als Jugendverband unterstützen junge Menschen, die Verantwortung übernehmen wollen. Und ich hoffe, dass die djo diesen Mut behält. Ich weiß, dass sie es tun wird. Ich freue mich, auf der ein oder anderen Jubiläumsfeier weitere Organisationen kennenzulernen, die Teil der djo-Familie sind. Und ich bin zuversichtlich, dass die djo – Deutsche Jugend in Europa den Weg, den sie eingeschlagen hat, weitergehen und weiterentwickeln wird.

Hetav Tek, ehemalige Vorstandsvorsitzende der djo – Deutsche Jugend in Europa.

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