Zurück

05. Oktober 2022
Stimmen aus dem Internationalen Jugendaustausch

Seit der Corona-Pandemie hat sich auch im Internationalen Jugendaustausch so einiges verändert. Diesbezüglich haben wir sowohl bei der Fachstelle IJAB e.V. als auch bei unseren Mitgliedsorganisationen mal nachgefragt, wie es ihnen in den vergangenen zwei Jahren ergangen ist. 

Zu Wort kommen:

  • Robert Helm-Pleuger vom IJAB
  • djo-LV Bayern
  • VRJD JunOst, Bundesverband, Svetlana Sevastyanova
  • djo-Landesverband NRW, Leonie Elmer
  • Tüpfelhausen – Das Familienportal in Leipzig, Christoph Schumacher

IJAB – Fachstelle für Internationale Jugendarbeit der Bundesrepublik Deutschland, Robert Helm-Pleuger, Leiter des Geschäftsbereichs „Information für die internationale Jugendarbeit und Jugendpolitik“

Was hat sich bei euch im internationalen Bereich seit Anfang der Pandemie verändert?

IJAB e.V. ist als bundeszentrale Fachstelle nur in geringen Maßen in der aktiven Umsetzung von internationalen Jugendaustauschmaßnahmen eingebunden. Aber schon in der übergeordneten konzeptionellen und unterstützenden Arbeit für Fachkräfte hat die Pandemie unmittelbar Einfluss genommen. Durch die Einschränkung der Mobilität weltweit wurde der virtuelle Raum in der gesamten Trägerlandschaft extrem schnell als wichtiges Instrument der Umsetzung etabliert.

Ob die Vorbereitungsseminare für Langzeitaufenthalte wie Freiwilligendienste oder Schüleraustausche sowie die regelmäßige Kommunikation mit Partnerorganisationen weltweit, die Nutzung von virtuellen Werkzeugen ist wie in allen gesellschaftlichen Bereichen im Verlauf der Pandemie stark angestiegen.

In der internationalen Jugendarbeit kam es 2020 fast zu einem Stillstand. Kurzzeitaufenthalte konnten nur in seltenen Fällen durchgeführt werden und auch außereuropäische Langzeitaufenthalte für Jugendliche wurden bis Anfang 2022 noch stark durch die Pandemie eingeschränkt. Aber, schon Mitte 2021 hat sich im Bereich der Schulaufenthalte eine Art Aufholeffekt eingestellt, so dass es bei einigen Trägern mehr Anfragen von Jugendlichen zur Umsetzung eines Schüleraustausches gab, als jemals zuvor. Bei fast allen Langzeitaufenthalten hat sich 2022 eine Wiederherstellung der Anfragen auf ein „vor-corona-Niveau“ eingestellt. Nur bei den Kurzzeitaufenthalten wie Jugendbegegnungen oder Workcamps ist die Lage aufgrund von Visaregelungen, Hygienerichtlinien und unterschiedlichen Pandemieentwicklungen noch zögerlich und die meisten Maßnahmen konzentrieren sich auf die Sommermonate.

Warum ist der internationale Jugendaustausch für euch so wichtig?

Grundsätzlich sehen wir als Fachstelle die internationale Jugendarbeit z.B. als wichtigen und aktiven Teil zur Demokratiebildung, zur Friedensarbeit und – auch wenn es auf den ersten Blick widersprüchlich erscheint – als wichtigen Bestandteil der Bildung zur nachhaltigen Entwicklung. Hierbei gilt für uns: nur, wenn wir andere Blickwinkel in der Nachhaltigkeitsdiskussion kennenlernen, nur, wenn wir ein gemeinsames Bewusstsein für den Schutz unserer Ressourcen erarbeiten und wenn wir gemeinsame Lösungen erarbeiten, können wir erfolgreich eine nachhaltige Zukunft gestalten.

Außerdem zeigen die Beratungszahlen, dass der Bedarf bei Jugendlichen nach Auslandsaufenthalten heute – nach den Lockdown-Situationen in der Pandemie – extrem hoch ist. Das Bedürfnis nach realer Begegnung und „echten“ Kontakten unter Jugendlichen ist nach Monaten der Isolation ein großer Motivator sich international zu orientieren.

Was brauchst der Internationale Jugendaustausch aktuell?

Finanzielle Ausstattung für internationale Jugendarbeit ist natürlich wichtig und wird auch zukünftig der entscheidende Faktor für die Umsetzung von Maßnahmen sein. Häufig außer Acht gelassen, ist der flächendeckende Zugang zu Informationen über Auslandsaufenthalten für junge Menschen. Alle Jugendlichen in Deutschland – egal welcher Herkunft – sollten wissen, dass sie die Chance haben, an einer internationalen Maßnahme auch außerhalb von Schule, Studium oder Ausbildung teilzunehmen, auch wenn ihnen durch ihre Familien keine finanziellen Mittel zur Verfügung stehen. Lehrer*innen von weiterführenden Schulen sollten z.B. wissen, dass es Stipendien für Auslandsschuljahre gibt und nicht nur kommerzielle Anbieter von Auslandsaufenthalten. Berufsberater*innen sollten gezielt über geförderte Auslandsfreiwilligendienste, Jugendbegegnungen oder zu Work Camps beraten können. Es braucht schlicht flächendeckende Informations- und Beratungsangebote für Jugendliche zu geförderten Auslandsaufenthalten.

Wie sieht (eurer Meinung nach) die Zukunft des Internationalen Jugendaustausches aus?

Internationale Jugendarbeit soll allen Jugendlichen offenstehen egal welche Herkunft oder welche finanziellen Ressourcen ihnen individuell zur Verfügung stehen.

Internationaler Jugendarbeit sollten die Ressourcen zur Verfügung gestellt werden, um reale Begegnungen möglichst nachhaltig zu gestalten. Die Kosten für eine lange Anreise mit der Bahn müssen genauso wie die CO² Kompensation unvermeidbarer Flugreisen durch die Förderprogramme von Bund oder EU gegenfinanziert werden.

Wo sind aktuell eure größten Herausforderungen?

Die Pandemie, der Krieg in der Ukraine, der Klimawandel oder die aktuelle Inflation sind ausnahmslos aktuelle globale oder internationale Probleme und Entwicklungen, die sich nur gemeinsam im internationalen Kontext lösen lassen. Es ist also wichtiger denn je, dass auch junge Menschen sich gegenseitig kennenlernen können und sich untereinander austauschen, um die Chance zu erhalten sich für eine gemeinsame, lebenswerte Zukunft einzusetzen. Hierzu braucht es in den kommenden Monaten und Jahren adäquate finanzielle Unterstützung von Jugendlichen selbst aber auch von Trägern, die in der Internationalen Jugendarbeit tätig sind oder von Bildungsstätten, die internationale Gruppen beherbergen können.


djo-LV Bayern

Was hat sich verändert?

Durch die zwei Jahre Pandemie ist der Kontakt zu vielen Teilnehmenden abgebrochen. Sie sind älter geworden oder haben neue Interessen entwickelt. Es war dieses Jahr schwerer Teilnehmende für die Maßnahmen anzuwerben und einige Maßnahmen mussten ausfallen oder zusammengelegt werden. Mit 16 machen die Teilnehmenden, die Interesse haben, normalerweise den Schritt zum/zur Jugendleiter_in. Durch den langen Ausfall von Maßnahmen entstand hier auch eine Lücke an neuen Jugendleiter_innen, die nachkommen. Es müssen jetzt also gezielt neue Ehrenamtliche und Jugendleiter_innen gefunden werden. Gerade langjährige Partnerschaften sind erhalten geblieben. Viele Partnerschaften, die sich gerade erst im Aufbau befanden und mit denen erste Begegnungen geplant waren, haben sich durch die zwei Jahre Pause wieder verloren und müssen reaktiviert werden.

Was braucht der Internationale Jugendaustausch?

Abbau von Bürokratie:
Die Jugendarbeit vor Ort findet ehrenamtlich statt und wird von jungen Menschen organisiert. Die Abrechnung von Mitteln aus dem Kinder- und Jugendplan ist für Ehrenamtliche fast nicht leistbar und erfordert einen hohen Zeitaufwand. Warum beispielsweise bei einer Unterbringung auf einem Zeltplatz oder in einem Selbstversorgerhaus der Jugendarbeit (die immer die günstigste Alternative darstellen) Vergleichsangebote eingeholt werden müssen, hat keinerlei Mehrwert sondern erschwert nur die Arbeit und wirkt abschreckend auf junge Menschen, die eigentlich Lust hätten Maßnahmen durchzuführen. Bei 24€ am Tag hat man ja sowieso nur die Möglichkeit die günstigste Alternative zu wählen.

Gesicherte Finanzierung:
Ein internationaler Jugendaustausch braucht längeren Vorlauf in der Planung als eine Bildungs- oder Freizeitmaßnahme. Eine Sache, die den Jugendaustausch deswegen jedes Jahr belastet, ob Pandemie oder nicht, ist die Unsicherheit der Finanzierung. Dieses Jahr war bis zum August (Mitte der Sommerferien) bei vielen Maßnahmen nicht klar, ob die Maßnahmen gefördert werden oder nicht. Dies hat natürlich dazu geführt, dass die Maßnahmen abgesagt wurden.  Nach zwei Jahren Pandemie ein weiterer Rückschlag für viele Vereine. Auch die „übliche“ Bewilligung im April macht Maßnahmen in den Oster- oder Winterferien immer zu einem hohen Risiko. Wir brauchen eine gesicherte Finanzierung am Anfang des Jahres, um dann mit den Partnern gemeinsam planen zu können.

Aussetzung des Gastgebendenprinzips:
Das Gastgebendenprinzip führt dazu, dass Austausch mit Ländern, in denen keine Förderung für Jugendaustausch vorhanden ist, sehr kostspielig für die Teilnehmenden wird und schließt so viele junge Menschen von vorneherein aus.

Kurze Begegnungen fördern:
Gerade für jüngere Teilnehmende kann ein Austausch über fünf Tage hinweg noch eine Herausforderung sein. Mit den Nachbarländern ist es auch möglich, kürzere Begegnungen über ein (langes) Wochenende stattfinden zu lassen. Viele Gruppen treffen sich auch bereits mit ihren Partnerorganisationen für kurze Begegnungen aber erhalten hierfür keinerlei Fördergelder. Gerade in Anbetracht der Pandemie sollte es möglich sein, sich für kürzere Begegnungen zu treffen, um den Kontakt zu halten und ein niederschwelligeres Angebot für neue Teilnehmende zu machen.

Eine Zukunft:
Die aktuelle Situation zeigt, dass es wichtiger ist denn je internationalen Austausch durchzuführen. Junge Menschen müssen sich begegnen, um Vorurteile abzubauen und sich kennenzulernen. Durch die neuen digitalen Möglichkeiten ist es leichter in Kontakt zu bleiben. Dies ersetzt aber keinesfalls die gemeinsamen verbindenden Erlebnisse, die die Jugendarbeit vor Ort schaffen kann.


VRJD JunOst, Bundesverband, Svetlana Sevastyanova


Was hat sich bei euch im internationalen Bereich seit Anfang der Pandemie geändert?

Die Zahl der Maßnahmen ist rasant gesunken. Wegen der Planungsunsicherheit trauen sich die kleinen Initiativgruppen weniger die Begegnungen durchzuführen.

Warum ist für euch der Internationale Jugendaustausch wichtig?

Der VRJD JunOst e.V. sieht die internationale Jugendarbeit als ein wichtiges Instrument der Jugendverbandsarbeit an. Internationale Jugendarbeit ermöglicht grenzüberschreitende Mobilitätserfahrung und ist ein breites Feld außerschulischer Bildung für alle Jugendlichen – mit oder ohne Migrationshintergrund. Durch die Teilnahme an internationalen Begegnungen erwerben junge Menschen wichtige Kompetenzen für ihre persönliche und berufliche Weiterentwicklung. Auch in den Zeiten, wenn sich die Jugendlichen teilweise nur online treffen dürfen, ist die Unterstützung der jungen Leute in verschiedenen Ländern besonders wichtig.

Was braucht der Internationale Jugendaustausch aktuell?

Der post-pandemische internationale Austausch braucht mehr Flexibilität in Formaten sowie bessere finanzielle Unterstützung. Die Preise für Unterkünfte, Flugtickets, Spirit und Lebensmittel sind gestiegen, daher müssen Tagessätze angepasst werden.

Und wie sieht – eurer Meinung nach – die Zukunft des Internationalen Jugendaustausches aus?

Die Rolles des Jugendaustausches wird wichtiger denn je sein. Damit die Kinder und Jugendlichen von heute ein friedliches, offenes und geeintes Europa gestalten können, brauchen diese einen geschützten Raum, wo sie Erfahrungen sammeln, Selbstbewusstsein entwickeln und Vorurteile abbauen können. Es ist eine Chance Jugendliche erkennen zu lassen, dass Gemeinsamkeiten im Vordergrund stehen und dass sich die Gesellschaft durch ihre Teilnahme und Partizipation zu einer besseren wandeln kann.


djo-Landesverband NRW, Leonie Elmer

Was hat sich bei euch im internationalen Bereich seit Anfang der Pandemie verändert?

Bedauerlicher Weise mussten viele der ursprünglich geplanten Austauschvorhaben (mitunter sehr kurzfristig) abgesagt werden. Der Kontakt zu den Partnergruppen im Ausland und die Pflege internationaler Freundschaften, bleibt jedoch weiterhin eine wichtige Säule in krisenreichen Zeiten. Daher wurden sowohl digitale, als auch hybride Austauschformate entwickelt. Auch wenn diese langfristig keine Präsenztreffen ersetzen können, war ein kreativer, produktiver und zwischenmenschlich sehr bereichernder Austausch möglich. Positiv ist zudem die hervorragende Reaktion auf die pandemiebedingten Umstellungen und Herausforderungen seitens der Veranstaltenden hervorzuheben, durch die wesentliche Fähigkeiten im technischen Bereich sowie der allgemeinen Planung und Organisation digitaler Formate erworben wurden, was sich langfristig als sehr wertvoll erweisen kann.

Was braucht der Internationale Jugendaustausch aktuell?

Allgemeine Preissteigerungen machen sich selbstverständlich auch in der Internationalen Jugendarbeit bemerkbar. Nicht nur was die Reisekosten betrifft, sondern auch die Kosten für Unterkunft, Verpflegung etc. steigen merklich. Da es nicht absehbar ist, wann und ob sich diese Entwicklungen regulieren, sollten auf lange Sicht die Fördersätze an die Inflation angepasst oder Entlastungspakete geschnürt werden, um weiterhin Jugend- & Fachkräfteaustausche realisieren zu können. Insbesondere in krisenreichen Zeiten ist die internationale Vernetzung und der Zusammenhalt von übergeordneter Bedeutung.
Aus diesem Grund ist eine Fortführung der Förderung von digitalen/ hybriden Maßnahmen, sowie eine Übernahme von Stornierungsgebühren auch unabhängig pandemischer Entwicklungen und über das Jahr 2022 hinaus unumgänglich.


Tüpfelhausen – Das Familienportal in Leipzig, Christoph Schumacher

Warum ist für euch der Internationale Jugendaustausch wichtig?

Wir sehen den internationalen Jugendaustausch als einen wichtigen Präventionsfaktor gegen Nationalismus, gegen Radikalisierung und für den internationalen wie kulturellen Austausch an. Mit unseren anderen Zentren und Themengebieten der Jugendhilfe ist er eine tragende und verlässliche Säule der demokratischen wie kulturellen Werteentwicklung unter Kindern und Jugendlichen.

Und wie sieht – eurer Meinung nach – die Zukunft des Internationalen Jugendaustausches aus?

Wir blicken weiter positiv nach vorne, auch mit dem Wissen, in den letzten beiden Jahren mehrmals das Unmögliche geschafft und, trotz widrigster Einschränkungen, Großveranstaltungen der internationalen Kinder- und Jugendarbeit ausgerichtet zu haben; einfach, weil wir für die Kinder- und
Jugendarbeit als Träger leben. Dabei verbinden wir die große Hoffnung, dass unsere Anregungen auch Realität werden. Für die internationale Kinder- und Jugendarbeit mit ihrer enormen Wichtigkeit für unsere Gesellschaft wie den internationalen Austausch.

Zurück