Zwei junge Menschen sitzen mit Maske und Gesichtsschild auf einer Bank, die Person links hat ein Lenkrad, die Person rechts hält eine Uhr ohne Zeiger

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27. Juli 2021
Das Theater der Unterdrückten in Freital … wird unterdrückt

So fühlt es sich an: als wären wir unwichtig, nicht gewollt hier. Ein solches Gefühl stellt sich aufgrund einer Vielzahl von Erfahrungen ein, die wir in Freital machen mussten. Eine davon: Während eines der Treffen der Initiative „Vielfaltsgestalter“ in Freital sagte uns ein Politiker: „Wir wollen kein Migrantenprojekt. Das gab es schon.“

Wer sind wir? Wir sind das Theater der Unterdrückten in Freital – wir sind ein Migrant_innen Projekt. Das Theater der Unterdrückten in Freital ist ein Projekt von „Refugees and Friends – Freital“, einer selbstorganisierten Gruppe von Menschen mit Fluchtgeschichte. Im Sinne von französischen Existenzialist_innen hat unsere Initiative „Refugees and Friends – Freital“ sich selbst und neue Wege des Engagements erfunden. Doch wir befinden uns nicht im Zigarettenrauch Pariser Cafés, wir befinden uns in Freital, wo die sogenannten integrationszuständigen Institutionen und Organisationen mittlerweile an die Grenzen ihrer Kapazitäten stoßen und wo in Kauf genommen wird, dass „Migrantenprojekte“ an fehlender Unterstützung scheitern könnten.

 

Die Geschichte eines ganz besonderen Theaterprojekts

Wie sind wir überhaupt auf die Idee gekommen? Im Sommer 2019 gab es das djo-Sommertreffen in der Nähe von Berlin. Hier haben viele Mitglieder der Initiative „Refugees and Friends – Freital“ das „Theater der Unterdrückten“ kennengelernt, eine Theater-Methodenreihe von August Boal aus Rio de Janeiro. Lebendig, politisch und innovativ – das Theater der Unterdrückten ist inzwischen unmittelbarer Teil der politischen Bildung in vielen Ländern geworden und wird weltweit praktiziert. In uns wurde die Leidenschaft für das Theater der Unterdrückten geweckt, weil viele von uns selbst Erfahrung mit politischer Unterdrückung gemacht haben.

Im Herbst 2019 erhielten wir dann mit Freude eine Nachricht vom djo-Bundesverband: Es könne ein Theaterprojekt in Freital entstehen, von dem djo-Bundesverband unterstützt. Die erste Projektphase könnte wahrscheinlich durch die Organisation „Aktion Mensch“ gefördert werden. So kam es dazu, dass wir von „Refugees and Friends – Freital!“ die Theatergruppe gründeten. Unsere Theatergruppen-Mitglieder hatten zuvor bereits schauspielerische Erfahrung gesammelt. Unser Theaterleiter, Mohammad Mohammad, hat beispielsweise schon in einem kontroversen Theaterstück mitgespielt: Das AfD-kritische Stück „Das blaue Wunder“ von Volker Lösch, was für viel Aufruhr gesorgt hat, vor allem seitens AfD und PEGIDA in Dresden.

Nun stellt euch vor, wie einzigartig unsere Theatergruppe in Freital ist: fast revolutionär! So eine Theatergruppe von Geflüchteten mit einem Leiter, der syrischer Geflüchteter mit palästinensischen Wurzeln ist, gab es noch nie hier. Wir sind die Ersten.

 

Der mühsame Weg – wenig Unterstützung und rassistische Zwischenfälle

So besonders unser Theater der Unterdrückten ist – gerade für einen Ort wie Freital – so schwierig ist es für uns mitunter auch, hier mit unserem Theaterprojekt Fuß zu fassen. Die Probleme fehlender Unterstützung und struktureller Hürden für Projekte wie unseres, haben unsere Arbeit in Freital stellenweise erschwert. Unsere Suche nach Finanzierung und Räumlichkeiten war sehr mühsam. Da viele von uns aus Großstädten kommen, fühlt sich Freital klein an. Unsere Anfragen, E-Mails und Gespräche mit verschiedenen Leuten – unser Hilferuf nach Räumlichkeiten – brachten lange keinen Erfolg.

Es war also auch sehr schwierig, einen Raum für den ersten Theaterworkshop zu organisieren, der im Januar 2020 stattfand. Dank Beziehungen einer Mitstreiterin aus Berlin, haben wir eine Bühne in einem Gymnasium Freitals bekommen.

Ebenso hat offener Alltagsrassismus unsere Arbeit in Freital erschwert. Am ersten Tag des Workshops wurde eines unserer Mitglieder, eine junge Frau, auf dem Weg nach Freital im Zug angepöbelt – Hitler-Gruß inklusive… Das Gute an dem Theater der Unterdrückten ist, dass man negative Erfahrungen als Schauspieler_in verarbeiten kann. Jede Geschichte wird mitgenommen, das Leben ‚da draußen‘ wird zur Inspiration. Dadurch kann man zwar viel Last fallen lassen, aber auf gar keinen Fall die belastenden Ereignisse vergessen.

 

Unsere Zukunft in Freital

Seit Ende Februar haben wir nun endlich einen Raum, Teeküche und Lounge inklusive. „Das Projekt soll wegen des Geldes nicht scheitern“, hieß es in der E-Mail des Vereins Umweltzentrum Freital e. V., von dem uns die Räumlichkeiten zur Verfügung gestellt werden. Hiermit möchten wir noch einmal dem Vorstand und den Mitarbeiter*innen danken! Umwelt und Flucht haben viel miteinander zu tun. Hier haben wir als Initiative einen ‚Schutzraum‘ bekommen, ohne uns verstellen zu müssen, ohne dass daran Anstoß genommen wurde, dass wir „zu politisch“, „nicht offen für alle“ oder ein „Migrantenprojekt“ sind.
Dank dem djo-Bundesverband haben wir dieses Jahr unsere Auftritte in Bayern, Brandenburg und Berlin geplant. Wenn wir zu möglichen Auftritten in Freital gefragt werden, können wir nur sagen: Nichts ist sicher. Aber wir werden es versuchen. Um zu scheitern, muss man zuerst alles versuchen! Das erlebt man im Theater der Unterdrückten immer wieder. Scheitern zu können, ist auch eine Gabe.

Svetlana Makeyeva,
djo- Deutsche Jugend in Europa, Landesverband Sachsen e.V.

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