Junge Menschen sitzen und stehen auf einer Wiese und einem Holzpodest

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27. Juli 2020
Sommertreffen 2020: Durchs Fühlen ins Handeln

Das Sommertreffen ging in die dritte Runde und ich hatte ein bisschen Sorge: erstens natürlich wegen der aktuellen Lage um Corona und der Verantwortung gegenüber den beinahe 30 jungen Menschen, die an den Workshops teilnehmen wollten. Wie sollten wir es eine Woche lang schaffen, genügend Abstand zu halten? Und zweitens war da noch die kleine Sorge, wie wir mit dem diesjährigen Treffen noch die letzten wundervollen Treffen in Neuendorf steigern könnten.

Dieses Jahr wollten wir versuchen, alle drei Workshopergebnisse – aus den Workshops Rap, Film und dem Theater der Unterdrückten – zusammen in eine Performance zu überführen. Allerdings würde das genaue Thema erst am ersten und zweiten Tag feststehen, da es sich aus Übungen mit den Teilnehmenden generieren sollte.

 

Das Theaterstück „Die Mittelmeer-Monologe“

Letztendlich waren es aber nicht nur die Übungen, durch die sich ein Thema herauskristallisierte, sondern vor allem das Theaterstück „Die Mittelmeer-Monologe“, das bei uns am zweiten Abend aufgeführt wurde. Die Mittelmeer-Monologe sind ein Theaterstück, welches reale Erfahrungsberichte von Menschen beinhaltet, die auf ihrem Weg nach Europa und auf der Suche nach einem Leben in Sicherheit über das Mittelmeer geflohen sind. Die Erfahrungsberichte werden von Schauspieler_innen performt. Bei unserem Sommertreffen reisten eigens Schauspieler_innen an, um zu Gast zu sein, und das Stück für uns aufzuführen. Die Inhalte des Stücks berührten und beschäftigten uns derart, dass wir nicht drum herum kamen, Themen wie extreme Ungerechtigkeit und Ungleichheit, Privilegien, Macht, Flucht, Gewalt, Scheitern, Ängste in unsere eigenen Performances, die im Laufe des Sommertreffens entstanden, einzubauen.

 

Woher die Kraft zum Wandel?

Am Abend und dem Tag nach der Aufführung der Mittelmeer-Monologe waren wir wie gelähmt und unsere große Frage war, was wir denn angesichts dieser untragbaren Lage an den EU-Außengrenzen überhaupt tun können. Wir versuchten dem Gefühl der Lähmung und Hilflosigkeit mit einer Übung zu begegnen, in der wir uns vorstellten, es gäbe in 200 Jahren eine ‚perfekte Welt’ (in der Tat schwer vorstellbar, aber ohne dies imaginieren zu können, wird es wohl wahrlich niemals Realität werden) und wir wurden von Menschen, die in dieser ‚perfekten Welt’ lebten, befragt, wie wir es geschafft hätten, zu einem Wandel beizutragen und woher wir die Kraft nahmen. Das klingt nach billigen Coachingtricks, aber tatsächlich hat uns die Übung geholfen, auf unsere Möglichkeiten zu schauen, ein wenig aus der Lähmung herauszukommen und uns in dem, was wir bereits tun und noch vorhaben zu tun, zu bestärken.

Die Thematik der Mittelmeer-Monologe, die uns ja nicht nur auf der Bühne begegnete, sondern in zahlreichen Geschichten der Teilnehmenden selbst, hat uns nicht nur sehr berührt, sondern auch gleichzeitig sehr schnell und sehr eng als Gruppe zusammengebracht. Und so saßen wir wieder jede Nacht oftmals bis die Sonne aufging, lachten, tanzten, weinten, führten tiefe Gespräche und waren ganz schön froh beieinander zu sein.

 

Der Abend der Performance: Das Innere nach Außen tragen

Am letzten Abend führten wir dann tatsächlich eine sehr gelungene einstündige Performance inklusive Filmportraits, kleinen – sogar von Drohnen gefilmten – Videos, Theater der Unterdrückten und einem live Rap als krönenden Abschluss auf. In der Performance verarbeiteten wir unsere Fragen, unsere Ängste, unsere Wut, unser Engagement. Überraschend war, dass circa 30 externe Menschen aus den umliegenden Dörfern zum Zuschauen kamen und wir somit genau diese Fragen und Zweifel weitergeben und auch unseren Enthusiasmus teilen und nach außen tragen konnten. Vielleicht hat allein dieser Abend ein Umdenken bei dem Einen oder der Anderen bewirkt. Schon dann hätten wir das erreicht, was wir wollten – andere Menschen berühren! Denn ich glaube fest daran, dass wir durchs Fühlen ins Handeln kommen.

Ich danke allen Workshopleitenden – Christoph, Lina, Modou und René – und natürlich den großartigen Teilnehmenden für ihre Offenheit, Freude, Kreativität und Inspiration… und das gemeinsame Fühlen!
Ich freue mich sehr, dass das entstandene Theaterstück während des KURINGA-Festivals am 30.08.2020 in Berlin aufgeführt werden kann.

Theres du Vinage,
Referentin für Kulturelle Jugendbildung,
djo-Bundesgeschäftsstelle.

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