Mit einer gemeinsamen Erklärung haben 22 Organisationen am 12. März 2020 zu den Vorschlägen der Bundesregierung vom Februar zu einer Reform des Europäischen Asylsystems Stellung bezogen. Die jüngste Eskalation auf den griechischen Inseln zeigt: Grenzlösungen sind gescheitert. Es braucht einen auf Menschenrechten und Flüchtlingsschutz basierenden Neustart.
Vor dem Hintergrund der dramatischen Lage an der türkisch-griechischen Grenze fordern Organisationen wie Amnesty International, PRO ASYL, Caritas, Diakonie Deutschland, Paritätischer Gesamtverband, AWO sowie zahlreiche weitere spezialisierte Organisationen aus verschiedenen zivilgesellschaftlichen Bereichen: Der Zugang zum Asylrecht muss an Europas Grenzen gewährleistet sein. Menschenrechtswidrige Push-Backs – direkte Abschiebungen ohne Prüfung eines Asylantrages – durch Griechenland und andere EU-Mitgliedstaaten wie Kroatien, müssen endlich aufhören.
Die Organisationen kritisieren das im Februar bekannt gewordene Konzeptpapier der Bundesregierung zu einer Reform des Gemeinsames Europäischen Asylsystems und die darin geplante Vorprüfung von Asylanträgen an der Außengrenze. Entweder würden die Verfahren lange dauern und zu großen Lagern mit katastrophalen Bedingungen wie aktuell in Griechenland führen. Oder sie würden schnell abgewickelt und mit ernsthaften Qualitätsmängeln behaftet sein. Insbesondere zweifeln die Organisationen stark an, dass unter Gegebenheiten wie an der Grenze zwangsläufig vorliegen, ein effektiver Rechtsschutz gewährleistet werden kann. Ohne diesen drohen aber menschenrechtswidrige Abschiebungen. Die Probleme von Grenzverfahren werden durch die aktuelle Eskalation auf den griechischen Inseln, bei denen NGO Mitarbeitende und Journalist_innen bedroht und tätlich angegriffen wurden, mehr als deutlich.
Wenn in Vorverfahren geprüft wird, ob die Person in einen nicht-europäischen Staat als »sicheren Drittstaat« zurückkehren könnte, droht sich die EU zudem ganz aus der Verantwortung zu ziehen. Dabei befinden sich aktuell 84% der weltweiten Flüchtlinge in Ländern des globalen Südens.
Die Bundesregierung erwägt zudem, die Vorverfahren mit »freiheitsbeschränkenden« Maßnahmen durchzusetzen. Dies bedeutet in der Realität, dass alle in die EU einreisenden Asylsuchenden zunächst inhaftiert werden würden. Da dies nicht nur für die Außengrenzen gelten würde, wäre dies auch in Deutschland der Fall. Die unterzeichnenden Organisationen lehnen eine solche pauschale Inhaftierung als unverhältnismäßig ab und warnen davor, Zustände wie auf den griechischen Inseln oder in den ungarischen Transitzonen zu verstetigen.
Gemeinsam appellieren die Organisationen, Fehler der Vergangenheit nicht zu wiederholen. Richtigerweise wird das Dublin-System mittlerweile von der Regierung als gescheitert betrachtet. Durch ein Vorverfahren an den Grenzen werden aber erneut die Grenzstaaten übermäßig in die Verantwortung gezogen, was einem solidarischen Europäischen Asylsystem widerspricht. Ein Neustart in der europäischen Flüchtlingspolitik muss auf einem Konsens über gemeinsame Ziele, faire Verantwortungsteilung und Grundwerte wie Flüchtlingsschutz, Achtung der Menschenwürde und Rechtsstaatlichkeit beruhen. Dem wird der Vorschlag der Bundesregierung nicht gerecht.
Hier geht es zum Download des gemeinsamen Statements.
Unterzeichnende Organisationen:
ACAT-Deutschland e.V.
Amnesty International Deutschland e. V.
Arbeiterwohlfahrt Bundesverband e.V.
Arbeitsgemeinschaft Migrationsrecht im Deutschen Anwaltverein
Bundesfachverband unbegleitete minderjährige Flüchtlinge e.V.
Bundesweite Arbeitsgemeinschaft Psychosozialer Zentren für Flüchtlinge und Folteropfer – BAfF e.V.
Bundesweiter Koordinierungskreis gegen Menschenhandel (KOK e.V.)
Der Paritätische Gesamtverband
Deutscher Caritasverband e.V.
DGSF – Deutsche Gesellschaft für Systemische Therapie, Beratung und Familientherapie e. V.
Diakonie Deutschland – Evangelisches Werk für Diakonie und Entwicklung e.V.
djo – Deutsche Jugend in Europa Bundesverband e.V.
Forum Menschenrechte
Humanistische Union
Internationale Frauenliga für Frieden und Freiheit (IFFF)
Jesuiten-Flüchtlingsdienst Deutschland
Lesben- und Schwulenverband LSVD
Systemische Gesellschaft e. V.
Neue Richtervereinigung
Outlaw. Die Stiftung
PRO ASYL
Terre des Hommes