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11. August 2025
Jugend > Migration > Zukunft II
Ein jugendpolitisches Forum über Bündnisse, Allianzen und Teilhabe in Zeiten des Rechtsrucks

Am 21. November 2024 fand das jugendpolitische Forum Jugend > Migration > Zukunft II zum zweiten Mal im bUm – Raum für solidarisches Miteinander in Berlin statt. Gemeinsam mit gut 80 jungen Expert_innen und Vertreter_innen aus Zivilgesellschaft, Politik, Verwaltung, Wissenschaft, Stiftungen und Förderprogrammen diskutierten wir, wie in einer postmigrantischen Gesellschaft alle jungen Menschen ihr Recht auf gleichberechtigte und wirksame Teilhabe verwirklichen können.

Wir erinnern uns – 2023 haben wir uns beim ersten jugendpolitischen Forum vertiefend mit folgenden Fragen beschäftigt: Wie verhalten sich neue und historisch gewachsene Jugendstrukturen zueinander? Wie gehen etablierte Jugendverbände mit der pluralen, (post)migrantischen Gesellschaft um? Wie prioritär wird eine rassismuskritische Öffnung vorangetrieben? Und wie steht es grundsätzlich um die Jugendperspektive in Migrationsthemen?

2024 wollten wir an den Erkenntnissen vom Vorjahr anknüpfen und den Fragen nachgehen: Was sind die Grenzen und Möglichkeiten von Bündnissen, um die Teilhabe junger Menschen zu stärken? Wie lange können wir es uns mit zunehmendem Rechtsruck noch leisten, nebeneinander statt miteinander zu agieren? Hintergrund ist die Beobachtung, dass bereits seit Jahren bundesweit zahlreiche Projekte und Mentoring-Programme existieren, die junge Menschen empowern, vernetzen und gezielt auf gesellschaftliche Entscheidungspositionen vorbereiten. Gleichzeitig gibt es strukturelle Bestrebungen, (post)migrantische Selbstorganisationen in ihrer Professionalisierung zu unterstützen und langfristig in Regelfördersysteme zu integrieren.

Ankommen und Keynote

Bevor das Programm startete, konnten sich alle Teilnehmer_innen bei Kaffee, Softdrinks, Energyballs sowie Fatayer und Manakish von Azzam auf der Sonnenallee zu stärken. In entspannter Atmosphäre fand ein erster Austausch statt rund um die Wanderausstellung „Trotz allem! – Postmigrantische Jugend bewegt den Osten“ von JUGENDSTIL* statt. Erste Denkanstöße kamen in der Keynote von Joana Georgi und Quang Paasch, die von den Berliner Verkehrsbetrieben im Stich gelassen wurden und kurz vor knapp mit E-Rollern vor dem bUm halten mussten. Joana Georgi, Videografin, Regisseurin und Journalistin für verschiedene Medien, stellte kurz ihren Dokumentarfilm „Niemals allein, immer zusammen“ vor. Darin begleitet sie fünf Berliner Aktivist_innen ein Jahr durch ihren Alltag – darunter auch Speaker und Moderator Quang Paasch, der mit ihr auf der Bühne stand. In der Keynote, wie auch im Film, machten die beiden deutlich, dass radikaler Wandel nicht nur möglich, sondern notwendig ist. Sie ermutigten über den digitalen Raum hinweg in Auseinandersetzungen zu gehen – auch wenn sie schmerzhaft sein können – und kamen zu dem Schluss, dass für sie der „kleinste bzw. größte gemeinsame Nenner dabei die Kapitalismuskritik ist“.

Tandem-Kennenlernen, World-Café und Fishbowl-Runden

Weiter ging es im Programm – von klein nach groß. Unsere Idee war es, zunächst mit einem Tandem-Kennenlernen zu starten um eine vertrauensvolle Atmosphäre zu schaffen. Von dort ging es weiter zum Worldcafé – ein Kleingruppenformat, wo die Teilnehmenden über Chancen und Hürden von Allianzen und Kooperationen diskutierten. Nach einer Kaffeepause ging es in vier parallele Fishbowl-Diskussionen: Die Teilnehmenden diskutierten hier zu inhaltlichen und strukturellen Hürden, zur Nutzung digitaler Räume für Allianzen sowie zur Gestaltung von Zusammenarbeit auf Augenhöhe.

Um die Diskussionen der Fishbowls zu füttern, haben wir im Vorfeld Akteur_innen an der Schnittstelle von Jugend und Migration einbezogen, um ihre Perspektiven in die Diskussionen einfließen zu lassen. Gefragt wurde unter anderem: Wie und wo arbeiten Sie mit anderen Institutionen zusammen? Wo haben Allianzen gut funktioniert – und warum? Was waren hier zentrale Faktoren? Wenn nicht kooperiert wird – warum nicht?

Anknüpfend an die eingeholten Zitate wurden in den offenen Formaten der Veranstaltung nicht nur individuelle Erfahrungen sichtbar, sondern auch gemeinsame Anliegen herausgearbeitet und weitergedacht. Hierzu zählten die Erkenntnis, dass Vernetzung und unterschiedliche Perspektiven sichtbarer gemacht werden müssen und gegenseitiges Zuhören eine grundlegende Voraussetzung für gleichberechtige Kooperationen ist. Interessen sollten füreinander und nicht gegeneinander vertreten werden; gemeinsame Ziele müssen von beiden Seiten verstanden und klar formuliert sein. Awareness darf nicht nur auf Worte beschränkt bleiben, sondern muss durch Handlungen, durch Mitglieder und Mitarbeitende spürbar werden. Junge Menschen aus (post)migrantischen Kontexten und Strukturen sollen nicht nur teilnehmen, sondern mitgestalten – mit dem Bewusstsein, eigene Expertise einzubringen. Auch die Anerkennung des Ehrenamts, die Reflexion eigener Privilegien und Macht sowie die Bereitschaft, diese gegebenenfalls abzugeben, wurden als wichtige Grundlagen benannt. Alle Ergebnisse haben wir in einem Padlet zusammengefasst.

Zum Padlet

Moderation der Formate

Das zentrale Anliegen von Jugend > Migration > Zukunft II war es ja, jungen Menschen nicht nur zuzuhören, sondern ihnen echte Gestaltungsmöglichkeiten zu geben – auch auf der Bühne.  Dies sollte sich auch in der Moderation widerspiegeln, denn die Moderation setzt den Rahmen, den Ton und die Atmosphäre und ist somit entscheidend für das Gelingen jedes Formats. Wir sind daher dankbar und froh, dass die professionelle Moderatorin Clara Drammeh gemeinsam mit Anush Darbinyan von ARI – Jugendverband der Armenier in Deutschland e. V. durch das Gesamtprogramm führte.  Clara bringt langjährige Erfahrung aus der Moderation jugendpolitischer Veranstaltungen mit. Von Beginn an war sie begeistert von der Idee, im Tandem zu moderieren und dabei Perspektiven zu verbinden. Anush, die als Co-Moderatorin erstmals eine Veranstaltung dieses Formats begleitet, brachte frische Perspektiven und eigene Erfahrungen aus der Jugendverbandsarbeit ein. Gemeinsam schafften sie eine Atmosphäre, in der sich junge Menschen gesehen und gehört fühlen konnten – ganz im Sinne eines partizipativen Veranstaltungsformats.

Durch die verschiedenen Formate moderierten junge Ehrenamtliche aus dem djo-Netzwerk. Zu den Moderator_innen zählten Arian Darat, Evîn Sîdo, Erik Mher Avetisyan, Ilona Gabriel, Mark Zinoviev, Millad Jafarzadeh, Vahide Berisha, Vecihe Baris Uyar und Xenia Rak. Einige der Moderator_innen nutzten vorab die Möglichkeit, an einem diversitätssensiblen Moderationstraining teilzunehmen, das wir seitens des Bundesverbands mit Unterstützung von Safa Semsary, diskriminierungssensible Moderationstrainerin, Organisationsberaterin und Prozessbegleiterin, angeboten haben.

Machen ist wie wollen nur krasser – Gemeinsamer Ausklang beim Makramé

Zum Abschluss unserer Veranstaltung standen die Teilnehmenden nach einer kleinen Preisverleihung – denn es gab ein Quiz – nochmal gemeinsam beim Makramé-Basteln zusammen. Es wurde geknotet, ausprobiert und viel gesprochen. Wir erinnern uns daran, dass es den ganzen Nachmittag schließlich um Bündnisse, Kooperationen und Allianzen ging, die beim Makramé nochmal versinnbildlicht wurden. Die Atmosphäre war gelöst, viele kamen noch einmal intensiv miteinander ins Gespräch. Das kleine Andenken, das dabei entstanden, begleitet einige vielleicht noch immer am Schlüsselbund durch den Alltag.

So bleibt die Veranstaltung lebendig – in den Gesprächen, in kleinen Veränderungen im Alltag und vielleicht auch im Knoten am Schlüsselbund, der uns daran erinnert, dran zu bleiben, Projekte anzugehen, Allianzen zu schmieden oder echte Beteiligung zu priorisieren.

Musik auf die Ohren! Playlist zur Veranstaltung

Wer die besondere Atmosphäre von Jugend > Migration > Zukunft II noch einmal aufleben lassen möchte, kann dies musikalisch tun: Die JMZ-Playlist – liebevoll kuratiert von den Moderator_innen Baris und Arian – steht weiterhin zum Anhören bereit.

Playlist

Film ab! Den Film „Niemals allein, immer zusammen“ anschauen

„Für ihren Dokumentarfilm NIEMALS ALLEIN, IMMER ZUSAMMEN begleitet die Filmemacherin Joana Georgi fünf Berliner Aktivist*innen ein Jahr durch ihren Alltag. Quang, Patricia, Simin, Zaza und Feline sind jung, idealistisch und organisiert. (…) In einer zunehmend gespaltenen und polarisierten Welt zeigen sie Wege aus der politischen Lethargie und repräsentieren eine neue Generation, die ihre Stimme erhebt, um befreit von Denkverboten und dogmatischen Altlasten für eine gerechtere Zukunft einzustehen.“ https://www.neuevisionen.de/de/filme/niemals-allein-immer-zusammen-145

Policy Paper

In unserem Policy Paper „Wir sind nicht nur Teilnehmer_innen. Wir wollen alles mitgestalten.“ erläutern wir unser Anliegen, vertrauensvolle Räume in der (post)migrantischen Jugend(verbands)arbeit zu gestalten am Beispiel von Jugend > Migration > Zukunft II nochmal detaillierter. Darin finden sich auch Handlungsempfehlungen für Akteur_innen in Politik und Verwaltung. Das Policy Paper findet sich auf Seite 34.

Zum Policy Paper

Bild © Jasmin Valcarcel Photography

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