Für die Ausgabe unserer Verbandszeitschrift der PFEIL von Juni 2023 mit dem Thema „Engagement und Ehrenamt“ haben wir ein Gespräch mit Daniela Broda, Vorsitzende im Deutschen Bundesjugendring, geführt. Darin spricht sie über Herausforderungen in Engagement und Ehrenamt.
Die Jugendarbeit in Verbänden steht vor großen Herausforderungen in einer Zeit, die von vielfältigen Krisen geprägt ist. Um diesen Herausforderungen zu begegnen, ist es von großer Bedeutung, das Engagement junger Menschen in der Gesellschaft zu fördern und zu stärken. Gleichzeitig kämpfen viele Vereine und Organisationen damit, dass immer weniger Menschen bereit sind, sich ehrenamtlich zu engagieren. Vor diesem Hintergrund ist es umso wichtiger, neue Wege zu fi nden, um Menschen für ein ehrenamtliches Engagement zu gewinnen. Auch die Politik ist angehalten, die Rahmenbedingungen für jugendliches Engagement zu verbessern. Der Bundesjugendring hat eine Kampagne zur Förderung des Engagements junger Menschen gestartet. Dazu haben wir mit Daniela Broda gesprochen.
Hallo Daniela, kannst du etwas über die „Kampagne junges Engagement“ erzählen?
Ende 2022 haben wir als Bundesjugendring eine Kampagne für junges Engagement gestartet, die seitdem in verschiedenen Phasen erweitert wurde. Los ging’s mit einer deutschlandweiten Plakatierung. Acht Städte wurden mit rund 1300 Plakatwände und digitale Flächen mit der Kampagne gestaltet. Die Motive zeigen Jugendliche in einem verbandlichen Umfeld. Die Claims nehmen das Engagement in den Blick und vermitteln gleichzeitig Gemeinschaft und Raum für eigenes: Lass machen! Genau wir! So wie du! Geht klar! Die Subline wird dann konkret und fordert zum Handeln auf: In Jugendverbänden fi ndest du deinen Freiraum für Freundschaft, Abenteuer und Mitbestimmung. Das Ergebnis sind Plakate, die neugierig machen, auf der emotionalen Ebene ansprechen und das Schlagwort Jugendverband sowie die Kampagnen-Website jugendverband. org platzieren.
Auf dieser Website erfolgt dann der unmittelbare Bezug zum Ehrenamt und den Jugendverbänden. Aus den Mitgliedsorganisationen eingesandtes Material zeigt authentisch und konkret das jeweilige Verbandsleben. Die Beschreibung des ehrenamtlichen Engagements zeigt darüber hinaus die Möglichkeiten auf, sich einzubringen, fortzubilden und Verantwortung zu übernehmen. Und eine Karte mit Filterfunktion — der Jugendverbandsindex — macht auf: Hier ist der Jugendverband in Deiner Nähe, bei dem Du dich einbringen kannst. Neben den Plakaten, der Webseite und dem Jugendverbandsindex gibt es Handreichungen und Informationsmaterial, das die Verbände kostenlos bestellen und zum Akquirieren nutzen können. In Form von Postern werden die Motive der Kampagne so auch auf die Ortsebene und in die Jugendräume getragen.
Worauf zielt die Kampagne ab?
Mit der Kampagne sollen junge Menschen erreicht werden, die sich bereits im Ehrenamt engagiert, aber im Zuge der politischen und sozialen Auswirkungen der Covid-Pandemie zurückgezogen haben. Diese jungen Menschen wollen wir zurückgewinnen.
Vor allem wollten wir aber auch „Danke!“ sagen. Deswegen gibt es als besonderes Highlight der Kampagne einen Webshop: Als Anerkennung für ihre großes Engagement können Juleica-Inhaber*innen auf wirklich gute Produkte zurückgreifen, die sie in ihrem Engagement nutzen können und die bei anderen einen „Must-Have“Wunsch auslösen. Die Nachfrage ist riesig, sodass die meisten kostenlosen Artikel bereits vergriffen und in den Händen der Engagierten vor Ort sind. Weil der Rückgang der im Ehrenamt Tätigen nicht allein durch die Rückgewinnung jener auszugleichen ist, die in den vergangenen Jahren ihr Engagement ruhen lassen haben, legt die Kampagne ihren zweiten Schwerpunkt auf die Gewinnung junger Menschen, die bisher noch keine Berührungspunkte mit Ehrenamt und Verbandsleben hatten. Die Plakate holen die Zielgruppe niedrigschwellig da ab, wo junge Menschen gerade sind. Verunsichert und zurückgezogen, aber mit dem Wunsch, sich selbstwirksam in einer Gemeinschaft einzubringen und ins Handeln zu kommen.
Die Kampagne für junges Engagement ist eng verknüpft mit der Jugendleiter*in-Card Juleica. Der Rahmen ist: Juleica macht eine Kampagne, um junge Menschen für das Ehrenamt (wieder)zugewinnen. Der Bundesjugendring realisiert die Kampagne, Absender ist aber die Juleica. Juleica ist eine etablierte Marke im Bereich Junges Engagement und Ehrenamt. Mit ihr hat die Kampagne einen starken Absender, der sie legitimiert und sie auch von Kampagnen aus der Wirtschaft, die sich vermehrt soziale und gemeinwohlorientierte Attribute aneignen, unterscheidbar macht.
Haben sich Herausforderungen für Ehrenamtliche in der Jugendverbandsarbeit nach der Corona-Pandemie geändert?
Mit der Pandemie sind definitiv neue Herausforderungen dazu gekommen. Mentale Gesundheit ist in den Verbänden ein Riesenthema geworden. Zu beobachten ist, dass ehrenamtliche Teamer*innen neben der Fürsorge für andere auch erst einmal auf sich selbst achten mussten. Die Zeit der Lockdowns, der geschlossenen Jugendräume und ausgefallenen Freizeiten hat deutliche Spuren hinterlassen. Konkret ging es in ersten Maßnahmen im vergangenen Sommer zunächst einmal darum, Begegnung und Austausch wieder zu ermöglichen. Ganz wichtig war auch, den Kindern und Jugendlichen im sicheren Rahmen der Jugendverbandsarbeit Räume zu geben, in denen sie langsam wieder „auftauen“ konnten. Wir erkennen zudem eine temporäre Delle bei den Teilnahmezahlen für die Juleica-Ausbildung. Diese Lücke auszugleichen, auch dafür ist die Kampagne gedacht.
Wie können Jugendverbände das Ehrenamt nach Corona wieder stärken und attraktiver machen?
Das Ehrenamt ist weiterhin sehr attraktiv. Das zeigen aktuelle Zahlen, wonach die Zahl der Menschen in Juleica-Ausbildung wieder fast das Vorpandemie-Niveau erreicht hat. Jugendverbände bieten zahlreiche Möglichkeiten, sich zu engagieren. Das wird auch in dem bereits erwähnten und stetig wachsenden Jugendverbandsindex https://jugendverband.org/index sichtbar.
Wir versuchen mit den jugendverbandlichen Strukturen, junge Menschen, die sich engagieren möchten, möglichst viel zu unterstützen und ihnen den Einstieg leicht zu machen. So haben wir in den letzten Jahren die Beantragung der Juleica deutlich vereinfacht und verbessert und sind gerade dabei, zusammen mit den Ländern, neue Ausbildungsstandards zu erarbeiten, um noch besser die Balance zwischen notwendiger Qualität und Leistbarkeit hinzubekommen. Gemeinsam tun wir Jugendverbände alles, um auch den Wert von Ehrenamt für die Gesellschaft aufzuzeigen und mehr Unterstützung von der Politik zu bekommen.
Die vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend für die Kampagne bereitgestellte Summe war ein wichtiger Baustein, um das Ehrenamt sichtbar zu machen. Um das Ehrenamt zu ermöglichen und zu stärken, braucht es aber entsprechende Rahmenbedingungen vonseiten der Politik. Das bedeutet vor allem Entbürokratisierung. Auch Haftungsrisiken müssen beschränkt werden: Das Risiko, dass ehrenamtliche Verantwortungsträger*innen in irgendeiner Form haften müssen, steigt mit jeder neuen Regelung und mit vielen — oft durchaus gut gemeinten — Gesetzesinitiativen. Hier muss die Politik prüfen, wie dieses Risiko minimiert wird. Denn zumindest Jugendverbände leben von jungen Menschen, die selbstorganisiert agieren und Verantwortung übernehmen — sei es als Leitung einer Maßnahme oder im Verbandsvorstand.
Daniela Broda, Vorsitzende im Deutschen Bundesjugendring.
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